Sommer, Sonne, Strand und ich liege hier am Meer und genieße das Rauschen der Wellen.
Okay, ich gebe zu, so ganz hat das nicht geklappt. Hier weht keine kühle Meeresbrise, die den Sonnenschein, der vom Himmel knallt, erträglich macht und von Meer geschweige denn Strand kann schon mal gar nicht die Rede sein. Um es kurz zu machen, ich habe meinen Balkon diesen Sommer in einen kleinen Urwald verwandelt und suche Schutz hinter meinen Pflanzen sowie unter einer dicken Schicht Sonnencreme - schließlich will ich braun werden und nicht rot.
Patrick ist seit einer Woche nicht mehr da gewesen und mir ist langweilig. Also stelle ich mir vor, dass Patricks Eltern, die ihm unerklärlicherweise immer noch den Urlaub bezahlen, mich gefragt hätten, ob ich Malina, als ihre zukünftige Schwiegertochter, nicht mit in den Urlaub möchte.
Es tut mir leid, ich muss schon wieder korrigieren, Patrick, bzw. Pat wie ich ihn nenne, und meine Wenigkeit sind seit Kindesbeinen an durch dick und dünn und wieder zurück gegangen. Zusammen sind wir nicht, wir hängen da irgendwo zwischen dem Status Geschwister, beste Freunde und mögliche große Liebe fest. Keiner von uns beiden traut sich, da was dran zu ändern. Also träume ich derzeit nur davon Patrick vielleicht zu fragen oder zu hoffen, dass er bald mal den Anfang macht.
Eventuell sind wir auch zusammen und wissen es nur schlicht nicht. Wer weiß das schon.
Fest steht, dass mir hoffnungslos langweilig ist, wenn ich nicht mit Pat durch die Stadt ziehen kann, Chaos im Schwimmbad verbreite oder mit ihm durch die Wälder streiche. Von den gemütlichen Abenden an denen wir einfach nur quatschen mal abgesehen. Es hat durchaus etwas eine Art Bruder zu haben, den man Daten kann, ohne Angst, dass sich da etwas anbahnt. Einfach gemeinsam Spaß haben und die Nähe des anderen genießen können. Toll so was.
Und da es noch eine ganze elendig lange Woche dauert bis meine andere Hälfte wieder kommt, habe ich mir etwas ausgedacht. Pat erzählt mir nach den Urlauben stundenlang was er gemacht hat, wo er überall gewesen ist und wieso denn nun gerade diese eine Muschel am Strand ihn so fasziniert hat, dass er sich beinahe von der Flut hätte ins Meer ziehen lassen.
Tja und heute ist also mein Tag am Meer, ich hab mich ganz früh hinaus geschlichen auf den Balkon als es noch so ziemlich kalt und vom Sommer hier nichts zu merken war. Eingekuschelt in viele Decken, einen warmen Kakao aus der Thermoskanne und ein schönes Buch, habe ich mich dort in meinem kleinen Urwald eingerichtet und bin über der Warterei auf meinen Sonnenaufgang eingeschlafen. Wach geworden bin ich vom Zwitschern der Vögel, die sich in der Dachrinne des Hauses ihr Nest eingerichtet haben. Die Sonne war schon am Himmel damit beschäftigt ihre Wärme zu verteilen. Also habe ich flugs meine Sonnencreme rausgeholt, mich eingecremt und dann mit halbgeschlossenen Augen das Licht beobachtet, wie es von grau in ein feuriges Rot und schließlich in das strahlende Blau des klaren Tages überging.
So gegen elf ist es schon recht kuschelig in meinem kleinen Balkonurwald und mein Magen knurrt lauthals vehement herum, dass ich ihn doch bitte mit irgendwas Essbaren versorgen solle. Also klettere ich aus meinem gemütlichen Sessel in der Oase und schlage mich zur Küche durch. Das Chaos der letzten Tage ist gestern mein Opfer geworden, als ich einfach mal wieder Lust hatte, Abwasch zu machen und aufzuräumen. Somit habe ich jetzt freie Bahn mir einen blonden Engel zu machen, da ich im Sommer über ausreichend Vorräte an Vanilleeis und Orangensaft verfüge. Während ich an meinem Cocktail nippe, schmiere ich mir Brote mit Schokoladenaufstrich und schneide mir Bananen darauf. Das Ganze richte ich auf meinem Schwanentablett an und bugsiere es vorsichtig nach draußen auf den Tisch.
Nach diesem wundervollen Frühstück folge ich meinen Gedanken und Erinnerungen die Pat mir aus seinem Urlaub mitgebracht hat und begleite ihn auf der Dünenwanderung. In der Hand liegt der Engelsflügel den er mir geschenkt hat, eine Hälfte ich, die andere Hälfte der Muschel hat er behalten.
„Schau mal Malina, siehst Du dahinten die Düne? Dahinter liegt das Ferienhaus von mir und meinen Eltern!“ Pat ist schon wieder zehn Schritte vor mir und dreht sich um, sieht mich lachend an. „Na komm schon, meine Eltern warten auf uns…“
Grinsend, den Kopf über ihn schüttelnd, folge ich ihm. Wann gewöhne ich mich endlich daran, dass er mein bester Freund ist und wahrscheinlich auch immer bleiben wird.
Seine Mutter nickt mir zu. „Malina, ich dachte ihr kommt gar nicht mehr…“
„Malina,“ die kräftige Stimme von Pats Vater schallt durch das Haus und einen Moment danach fühle ich mich leicht gequetscht.
„Paps! Das ist meine Freundin.“, protestiert Pat und befreit mich grinsend aus den Armen seines Vaters, nur um mich sanft zu umarmen.
Das Klingeln an der Tür, reißt mich wieder aus meinen Tagträumen, meinem Tag am Meer. Etwas benommen stehe ich auf und gehe zur Tür, an welcher der Postbote ungeduldig wartet.
„Ein Päckchen für Sie, Frau….“
„Ja schon gut,“ Ich lasse den armen Kerl nicht ausreden, warum muss er mich auch gerade jetzt von meinem Tag am Meer ablenken. Genervt unterschreibe ich und knalle hinter mir die Tür zu. Erst als ich fast wieder auf dem Balkon bin, sehe ich mir den Absender genauer an. Mitten im Schritt halte ich an, setze das Paket behutsam auf den Boden, ehe ich es innerhalb von Sekunden auspacke. Pat hat es mir geschickt. Neben einem Sommerlesebuch, hat er wieder Muscheln gesucht, rohe Bernsteine abgewartet, Sand in Flaschen und andere kleine Dinge. Auch eine Karte liegt dabei.
Liebe Mal,
schade dass Du nicht hier bist, meine Eltern sind zwar klasse, aber mit Dir wäre es schöner. Wenn Du magst, dann fahren wir nächstes Jahr im Sommer zusammen weg. Ich hab Dir ein paar kleine Sachen gefunden damit Dir die Zeit nicht so lang wird, auch wenn ich mir das nur schwer vorstellen kann, bei Deinem Einfallsreichtum.
Wir sehen uns in einer Woche, ich freu mich drauf von Dir abgeholt zu werden, Wir kommen Samstag um zwei an. Tu bis dahin nichts, das ich nicht auch tun würde.
Grüße und viel Spaß
Pat
Ich lese die Karte einmal, dann noch mal und noch ein mal. Mein Freudenschrei verscheucht die ganzen Vögel in der Nähe meines Balkons. Mein Tag am Meer ist so gut wie gelaufen, aber das stört mich grade gar nicht. Pat hat mir ein Paket geschickt und hätte mich gern bei sich. Völlig berauscht von dem Gedanken, nehme ich die Box mit den Sachen mit nach draußen in meinen kleinen Urwald und tausche den Tag am Meer gegen einen Tag mit Pat.
Am Abend falle ich müde ins Bett und kann es kaum erwarten Pat am Samstag wieder zu sehen. Der Schlüsselanhänger mit dem kleinen Herz, den er mir zwischen die Kleinigkeiten gepackt hat, sagt mehr als tausend Worte mir erklären könnten.
Mit einem Lächeln und den Gedanken bei Pat schlafe ich ein.
30.08.2007
© Sean Dimitjana Barleben
Donnerstag, August 30, 2007
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